Der Gefangene | Das Gehege
Beide Opern, die hier erstmals zu einem Theaterabend verbunden sind, haben starke politische Implikationen. Dallapiccollas 1949 uraufgeführter Gefangener war während des Kalten Krieges im Westen die meistgespielte moderne Oper: als ein um Allgemeingültigkeit bemühtes Plädoyer individueller Freiheit gegen totalitäre Unterdrückung. Dallapiccola eliminierte die jüdische Identität des Gefangenen seiner literarischen Quelle, Villier de L’Isle Adams »grausamer Geschichte« Folter durch Hoffnung, und verwandelte ihn in einen Niederländischen Freiheitskämpfer gegen die Tyrannei Philipps II. Beunruhigend ist freilich, dass dem Gefangenen die Ideen von Befreiung und Emanzipation ausgerechnet vom Gefangenenwärter souffliert werden, der sich als ein Double des Großinquisitors entpuppt, der den vermeintlich Befreiten am Ende in die Arme schließt und zum Scheiterhaufen führt. Ist Der Gefangene möglicherweise weniger eine Selbstbestätigung jener Welt, die sich gern als »die freie« feiert, als eine Darstellung ihrer ideologischen Sackgassen?
Rihms 2005 uraufgeführte Oper Das Gehege führt uns ans Ende des Kalten Krieges, und auch sie erzählt eine Geschichte über eine ambivalente Häftling-Wärter-Beziehung: In der Nacht der Berliner Maueröffnung versucht eine Frau, einen Zoo-Adler in die Freiheit zu verführen. Die Begegnung endet mit der Schlachtung des Tieres durch die Frau. Der Komponist entnahm diese »nächtliche Szene« dem Stück Schlusschor von Botho Strauss.
Rihms 2005 uraufgeführte Oper Das Gehege führt uns ans Ende des Kalten Krieges, und auch sie erzählt eine Geschichte über eine ambivalente Häftling-Wärter-Beziehung: In der Nacht der Berliner Maueröffnung versucht eine Frau, einen Zoo-Adler in die Freiheit zu verführen. Die Begegnung endet mit der Schlachtung des Tieres durch die Frau. Der Komponist entnahm diese »nächtliche Szene« dem Stück Schlusschor von Botho Strauss.
Koproduktion mit La Monnaie/de Munt (Brüssel)
Dauer
Der Gefangene: ca. 50 Minuten
Pause: ca. 35 Minuten
Das Gehege: ca. 35 Minuten
Der Gefangene: ca. 50 Minuten
Pause: ca. 35 Minuten
Das Gehege: ca. 35 Minuten
26. April 2018
26.04.2018
„In einer so minuziösen wie sparsamen Inszenierung der hier als Großmeisterin der grundlegend klugen Regie auftretenden Andrea Breth erlebt man zwei existenzielle Situationen von Eingesperrt sein. Und zwar so fundamental und dabei individuell in der jeweiligen Umsetzung, dass man als Außerirdischer den Menschen in seinem Leiden und Sein wirklich kennenlernen könnte.“
„Unter dem präzisen, die zum Teil enormen Aufwallungen klug im Zaum haltenden Dirigat von Franck Ollu […] ist tatsächlich zu hören: Wie sich Dallapiccolas Zwölftonmusik logisch an Puccini anschließt, ganz italienische Oper. Und wie Rihms regelrecht losgelassene Musik doch „schön“ zu nennen ist.“
„Der Sängerin wird hier von Rihm eine Virtuosität in der Lautproduktion abverlangt, die erschreckend ist, bei der sensationellen Ángeles Blancas Gulín klingt das aber geschmeidig und beiläufig.“
„Die Gefangenen“ von Judith von Sternburg
29.04.2018
„[Es] ertönt grandioser Gesang, auf einer Höhe mit der starken, stringenten, konzisen Inszenierung. Die Sopranistin Àngeles Blancas Guliìn als Mutter und vor allem in Rihms enorm fordernder Sopranpartie gestaltet vom gellenden, fanfarenhaften Schrei bis zur feinen Schattierung und leuchtenden Legierung die stimmlichen Exzesse mit einer Intelligenz der Einfühlung, einer Klarheit des Timbres und einer Biegsamkeit der Phrasierung, die sich zu bewegendem Ausdruck fügen. Georg Nigl als Gefangener verbindet die Extreme von Deklamation und Melos zu einer Seelenschilderung von extremer Intensität – und sein Bariton ist zu allem imstande: vom expressiven Schmelz in den Kantilenen bis zu gemeißelter Prägnanz.“
„Dirigent Franck Ollu entfesselt mit dem exzellenten Staatsorchester die Höllenschwärze von Dallapiccolas Musik ebenso wie ihre mit kantabler Emotionalität vermittelte Zwölftönigkeit. In Rihms postmodern-raffiniertem Expressionismus-Nachklang feilt Ollu die Stilparodistik heraus […] und durchleuchtet kongenial alle Facetten, die Glut und das Beben dieser Ausdrucksmusik.“
„Die Freiheit ist der Tod“ von Martin Mezger
27.04.2018
„Franck Ollu und das exzellent agierende Staatsorchester tun es auch, bereiten beiden Werken eine fantastische, ebenso sinnliche wie analytische Klanginszenierung. Vor allem halten sie die Balance zu den Sängern, lassen diesen Räume zur Entfaltung. Georg Nigl und Ángeles Blancas Gulín nutzen sie. Der österreichische Ausnahmebariton wartet als Gefangener mit einem unerschöpflichen Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten auf; die spanische Sopranistin offenbart als Mutter wie auch als Frau bei Rihm die hinreißend raue Schönheit ihre Stimme – und ihr exzellentes technisches Potenzial. Das sprengt alle Gitter – vor allem die zum Publikum. Beifallsstürme.“
„Die Freiheit – ein Albtraum“ von Alexander Dick
28.04.2018
„Georg Nigl, der hier schon in Rihms Jakob Lenz triumphiert hat, gilt als Spezialist für Partien, in denen seelische Grenzzustände ausgelotet werden, und verzehrt sich auch in Der Gefangene darstellerisch und gesanglich mit Haut und Haaren. Das Publikum dankt es ihm am Ende mit Ovationen.“
„Ein hochspannender Abend, weniger für Opernkulinariker als für jene, die in der Kunst nach Wahrheit suchen.“
„Freiheit als trügerische Sehnsucht“ von Frank Armbruster
28.04.2018
„Georg Nigl, in Stuttgart wohlbekannt aus Rihms Jakob Lenz, singt die Partie des Gefangenen bei Dallapiccola als weit ausgreifende Klage, als beklemmendes Seelenbekenntnis.
„John Graham-Hall [stattet den Kerkermeister] mit falscher Güte, zynischen Kreuzesgesten und weichem Tenor aus.“
„Wie [Ángeles Blancas Gulín] ihre Hauptrolle als vorgebliche Befreierin und spätere Schlachterin des Adlers stimmlich und mit vollem Körpereinsatz aufwertet, ist schlichtweg grandios – von zart bis flammend, von spöttisch bis machtgeil, vom Seufer bis zum Fortissimo-Angriff.“
„Unter dem rührigen Dirigenten Franck Ollu zeigt das Stuttgarter Staatsorchester seine exquisiten Qualitäten in Sachen Moderne.“
„Seelenklänge in der Finsternis“ von Otto Paul Burkhardt
28.04.2018
"An diesem Abend triumphieren vor allem zwei Sänger, und zwar die, die in den Stücken jeweils die Hauptrolle haben: die spanische Sopranistin Ángeles Blancas Gulín [in Das Gehege] und – noch mal überragend stärker – der österreichische Bariton Georg Nigl [in Der Gefangene].
„Ein großer Gewinn für den Spielplan“ von Susanne Kaufmann
26.04.2018
„Das Staatsorchester Stuttgart musiziert unter der souveränen Leitung von Franck Ollu sehr detailliert und auch emotionsgeladen.“
„Die Folter der Hoffnung“ von Alexander Walther
27.04.2018
26.04.2018
„Noch nie ist jemand auf die Idee gekommen, diese beiden Stücke zu kombinieren. Obwohl es um eine ähnliche Thematik geht, um Freiheit, Gefangenschaft und Überleben. Auch musikalisch passen Dallapiccola und Rihm bestens zueinander, der Jüngere scheint den Älteren komponierend fortzuschreiben.“
„Ist [Regisseurin Andrea Breth] inspiriert, dann kann sie tiefer in Stücke hineinblicken, als es ihren Autoren recht sein kann. Sie kann zudem ihre Erkenntnisse in ein Theater verwandeln, das durch Subtilität, Genauigkeit und Emotionsgewalt besticht. All das jetzt in Brüssel – die Aufführung geht im Sommer nach Stuttgart – vollkommen gelungen.“
„Der gefeierte Bariton Georg Nigl ist Breth-erfahren, ein Gefühlsextremist, eine Rampensau. Lustvoll wühlt er sich in die Agonie des Gefangenen. […]Selbst wenn man Nigl nicht hörte, wäre man davon ergriffen, wie genau er den Gefangenen im Halluzinieren zwischen Hoffnung und Todeserschöpfung spielt: nie übertrieben in Mimik und Gestik, stets stille Verzweiflung und zweifelnd auch in seinen Illusionen.“
„Noch faszinierender, noch existenzieller, noch schonungsloser geht Ángeles Blancas Gulín ans Werk. [Sie ist] stimmlich ideal für die zwischen Wahnsinn und Frustration irrlichternde Rihm-Frau und deren Musik.“
"Breth erzählt über Rihm und Dallapiccola hinweg das Ende einer in Tod und Irrsinn scheiternden Liebesbeziehung. Der Mann wie die Frau sind Gefangene - in sich selbst, in ihrer Beziehung, in der Welt. [...] Der Bezug zwischen beiden wird [...] vor allem durch das geniale Bühnenbild deutlich. Martin Zehetgruber hat vor eine kalte, graue Betonwand einen Käfig gestellt, der nach und nach zu einer Käfiglandschaft mutiert. Ein Entkommen gibt es weder für die Sänger noch für die Zuschauer."
„Gefangene gemacht“ von Reinhard J. Brembeck
19.01.2018
„Der Ausstatter Martin Zehetgruber ließ für beide Stücke eine düster-klaustrophobische Einheitsszene mit einer Reihe von Drahtkäfigen in verschiedenen Konstellationen arrangieren, von der Einzelzelle des Prigioniero bis zu einem veritablen Gehege. Ähnlich spartanisch ist auch die Regie von Andrea Breth. Sie setzt auf die Kraft kleinster Gesten in ihrer minutiös komponierten Personenführung.“
„Ángeles Blancas Gulín bewältigt die mörderische Partie mit unglaublicher Hingabe. Ihr Sopran durchmisst vom Sprechgesang bis zu artistischen Höhenflügen, zwischen schriller Ekstase und vokaler Inbrunst alles, was Stimme leisten kann, und das in den ungewöhnlichsten Positionen, mal am Boden liegend, mal am Käfiggitter hängend. Eindrucksvoll zwischen Aufbegehren, Resignation und Zuversicht schwankend gestaltet der Bariton Georg Nigl ebenso zuverlässig die Prigioniero-Partie.“
„Hoffnung ist ein süßes Gift“ von Josef Oehrlein
18.01.2018
„Musikalisch ist der Doppelabend von atemberaubender Qualität auf Festspielniveau. Franck Ollu leitet das Monnaie-Orchester souverän, setzt auf zuspitzende Transparenz ohne plärrende Effekte, der Chor ist famos präpariert. Georg Nigl geht als Gefangener in jeder Hinsicht an seine Grenzen: Als überragender Darsteller ist er derzeit konkurrenzlos, seinen anfangs noch balsamisch tönenden Bariton setzt er kompromisslos ein, scheut nicht einmal den unkontrollierten Schrei und nimmt selbst raue, abbrechende Töne inkauf. Kaum nach steht ihm Ángeles Blancas Gulín, die in Das Gehege mit allen Möglichkeiten ihres zugleich biegsamen, vom hauchig-zarten Piano bis zur metallischen Elektra-Attacke begabten dramatischen Sopran virtuos spielt und selbst kopfunter hängend auf den Schultern eines der Adler-Statisten noch berückend bedrohliche Verführungs-Töne produziert.“
„Höchst gediegen“ von Regine Müller
17.01.2018
„Andrea Breth hört auf die Stimmen, die Stimmung mehr als auf die Worte. Liefert also keine naturalistische Erzählung, sondern spürt dem nach, was im Untergrund wabert. Die Szene ist dafür sehr sparsam, aufs metaphorisch Wesentliche eingedampft.“
„Intendant Peter de Caluwe hat für seine ambitionierte, mit der Oper Stuttgart koproduzierte Premiere genau die zwei Ausnahme-Protagonisten engagiert, die man braucht, um die Distanz zwischen den eher selten zu erlebenden Stücken und dem Zuschauer von heute emotional zu überbrücken. Neben Ángeles Blancas Gulín als Mutter und dann als Anita, ist der mit Breth vertraute Bariton Georg Nigl jener Gefangene, der sich vergeblich Hoffnungen macht, sein Gefängnis verlassen zu können.“
„Im Graben hält Franck Ollu am Pult des Sinfonieorchesters der La Monnaie-Oper mit Präzision und Leidenschaft zusammen, was an diesem Abend ganz offensichtlich zusammengehörte.“
„Käfighaltung für Exoten“ von Roberto Becker
16.01.2018
„Keine Frage: [Regisseurin] Andrea Breth kann Sänger zu darstellerischen Ausnahmeleistungen verführen.“
„Mehr Dringlichkeit bitte“ von Michael Stallknecht
18.01.2018
"Brüsseler Oper zeigt Doppelabend von Dallapiccola und Rihm" von Pedro Obiera
18.01.2018
"Georg Nigls Bühnenpräsenz ist immer wieder atemberaubend. Nur wenige Sänger setzen sich wohl so intensiv mit einer Rolle auseinander wie der Bariton. [... Er] singt mit einer unfassbaren Genauigkeit und körperlichem Engagement die Rolle des Gefangenen [...]."
"Und die Sopranistin Ángeles Blancas Gulín, die bei Dallapiccola die Mutter des Gefangene singt, macht die Rolle der Frau in Rihms Werk zu einem echten Theaterereignis. Sie singt in jeder möglichen und unmöglichen Position, liegend, an den Gittern des Geheges hängend, kopfüber, und es klingt jedes Mal grandios."
"Packendes Musiktheater: Doppelabend in der Monnaie" von Hans Reul
18.01.2018